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CSJ mit eigenen Wahlprioritäten

Ohne Zutun der Jugend hätte sich die CSV sicher nicht so vortrefflich entwickelt. Nennen Sie es, wie Sie wollen: Denkfabrik der CSV, schlechtes Gewissen, Salz in der Suppe, Frësch Loft … ganze Generationen von CSJ-Aktivisten haben die Partei in Bewegung gehalten. Ihre Ideen wurden oft als traumtänzerisch belächelt – um wenig später dann doch ins Allgemeingut überzugehen. Wenn die Welt im Fluss ist, kann die CSV nicht stehen bleiben.

“Wenn die Welt im Fluss ist, kann die CSV nicht stehen bleiben” (Luxemburger Wort 18.03.2004)

Nationalpräsident Laurent Zeimet stellt sich dem LW-Interview / Programmkongress tagt morgen in Bettemburg

lop – Das Kino “Le Paris” in Bettemburg ist morgen ab 15 Uhr Schauplatz des diesjährigen Nationalkongresses der CSJ. Ein Kongress, bei dem sich “déi Jonk an der CSV” auf die Wahlen vom 13. Juni einstimmen werden. Sechs CSJ-Mitglieder gehen für die “Mutterpartei” ins Rennen. Eine Woche vor deren Programmkongress will sich die Christlich-Soziale Jugend aber auch mit eigenen inhaltlichen Akzenten empfehlen. Dass die CSJ-Prioritäten zum Teil weit über das hinausragen, was in der Gesamtpartei konsensfähig ist, versteht sich von selbst. Wie Nationalpräsident Laurent Zeimet uns im Interview verriet, war das in der 50-jährigen Geschichte der stärksten politischen Jugendorganisation des Landes schon immer so.

Luxemburger Wort: Im November feierte die CSJ im Hollericher Musiktempel Atelier ihren 50. Geburtstag. Ziehen Sie eine positive Bilanz?

Laurent Zeimet: Ja, unbedingt. Ohne Zutun der Jugend hätte sich die CSV sicher nicht so vortrefflich entwickelt. Nennen Sie es, wie Sie wollen: Denkfabrik der CSV, schlechtes Gewissen, Salz in der Suppe, Frësch Loft … ganze Generationen von CSJ-Aktivisten haben die Partei in Bewegung gehalten. Ihre Ideen wurden oft als traumtänzerisch belächelt – um wenig später dann doch ins Allgemeingut überzugehen. Wenn die Welt im Fluss ist, kann die CSV nicht stehen bleiben.

Bausteng fir d’Zukunft

LW: Welche “Großtaten” fallen Ihnen spontan ein?

L. Zeimet: Natürlich das Husarenstück von Jean Spautz, der als junger Stürmer und Dränger im Parlament den obligatorischen Militärdienst quasi im Alleingang abschaffte. Es ist toll, wie sich Jean Spautz fast ein halbes Jahrhundert für seine Überzeugungen engagiert hat. Dafür wird ihn die CSJ beim Kongress morgen gebührend feiern.

In unserem Archiv finden sich viele Dokumente mit “revolutionären” Forderungen, die uns heute selbstverständlich vorkommen. 1969 und 1978 sprach sich die CSJ für ein Verwaltungs- und ein Verfassungsgericht aus, 1996 wurde beides realisiert. Das 92-er CSJ-Grundsatzprogramm “Bausteng fir d’Zukunft” hat das Denken in der CSV nachhaltig geprägt. Wir gaben Jean-Claude Juncker Rückendeckung für den progressiven Ausbau der Entwicklungshilfe, machten uns stark für ein föderales, soziales und ökologisches Europa. Parteiinterne Geschlechterquoten sind für uns schon lange ein wichtiges Instrument auf dem Weg zur Parität.

“Weniger Gemeinden, mehr Kompetenzen”

LW: Und welche Schwerpunkte wollen Sie in den nächsten Jahren setzen?

L. Zeimet: Ich möchte den Kongressbeschlüssen nicht vorgreifen. Aber so viel kann ich Ihnen verraten: Die CSJ macht eine Fülle detaillierter Aussagen über Demokratie und Gesellschaftspolitik, Bildung, Nachhaltigkeit und Jugendpolitik. Auch sagen wir, was wir unter gerechter Globalisierung verstehen.

LW: Da müssen Sie schon konkreter werden.

L. Zeimet: Also gut. Unserer Meinung nach braucht Luxemburg weniger Gemeinden mit mehr Kompetenzen, damit alle Bürger auf ein gleichwertiges Angebot öffentlicher Dienstleistungen zurückgreifen können. Wir wollen ein aussagekräftigeres Wahlsystem mit direkt gewählten regionalen Wahlkreisabgeordneten und solchen, die über eine nationale Liste, ohne Panaschieren, ins Parlament kommen. EU-Bürger, die seit längerer Zeit hier leben, sollen entscheiden können, ob sie in ihrem Ursprungsland oder in Luxemburg an nationalen Wahlen teilnehmen.

“Demokratie soll in der Schule gelebt werden”

LW: Halten Sie die Bildungsoffensive von Anne Brasseur für gescheitert?

L. Zeimet: Ich halte die Schaffung der Universität Luxemburg durch Erna Hennicot-Schoepges für die wichtigste Zukunftsinvestition in der laufenden Legislaturperiode.

LW: Wohl wahr. Aber es gibt ja nicht nur die Uni.

L. Zeimet: In den Programmkommissionen sollten ausländische Experten mitarbeiten, die Lerninhalte sollten regelmäßig überprüft werden. Pflicht-Fortbildungskurse für Lehrer und obligatorische Nachhilfestunden für Schüler in Problemfächern gehören für uns ebenso zu einer Bildungsoffensive wie ein freiwilliges Angebot an Sommerschulen für besonders Wissbegierige. Die Schülerkomitees und die nationale Schülervertretung müssen neu durchstarten. In der Schule soll Demokratie nicht nur gelernt, sondern auch gelebt werden.

“Kein Freikauf von Klimaschutz-Hausaufgaben”

LW: Die Kyoto-Diskussion in der Tripartite stellt Sie wohl nicht zufrieden?

L. Zeimet: Nein. Luxemburg muss beim Klimaschutz seine Hausaufgaben erledigen – jeder einzelne Bürger trägt Verantwortung. Der Freikauf von unseren CO2-Reduktionsverpflichtungen ist der falsche Weg. Mit der konsequenten Förderung der erneuerbaren Energien tun wir was Gutes für Umwelt und Arbeitsplätze. Das ist qualitatives Wirtschaftswachstum.

LW: Luxemburg erstickt im Verkehr. Hat die Politik die Evolution verschlafen?

L. Zeimet: Sicher ging durch die unsägliche BTB-Polemik viel wertvolle Zeit verloren. Aber Michel Wolter hat bei der Vorstellung des IVL die richtige Formel geprägt: ein Luxemburg der kurzen Wege. Dazu gehört für uns neben intelligenter Landesplanung und Dezentralisierung auch ein einheitliches und einfaches Konzept für den öffentlichen Transport – vergleichbar mit dem Metroplan einer Großstadt. Beim Mobilitätsmanagement müssen wir innovativ vorgehen, auch durch flexiblere und aufeinander abgestimmte Arbeits- und Schulzeiten.

“Landwirtschaft muss gentechnikfrei bleiben”

LW: Die CSV ist traditionell die Partei des ländlichen Raums. Glauben Sie, dass die Landwirtschaft in Luxemburg überlebensfähig ist?

L. Zeimet: Auf jeden Fall. Immer mehr Menschen achten auf eine gesunde, hochwertige Ernährung. Unsere Bauern haben die Zeichen der Zeit erkannt und verlangen, genau wie die CSJ, dass die Luxemburger Landwirtschaft gentechnikfrei bleibt. Ich freue mich, dass der ganze Berufszweig das so sieht, Biobauern und konventionelle Landwirte.

LW: Seit mehr als zehn Jahren spricht die CSJ über die ökologische Steuerreform. Sind Ihre Minister taub auf diesem Ohr?

L. Zeimet: Das sicher nicht. Aber es ist ein schwieriges Unterfangen. Der Mouvement écologique hat mit seiner Expertenstudie hervorragende Vorarbeit geleistet. Die nächste Regierung wird darauf zurückkommen müssen. Der Faktor Arbeit muss steuerlich entlastet, Ressourcenverschwendung belastet werden. Die nachkommenden Generationen sehen das genauso.

LW: Das klingt aber alles sehr schwarz-grün.

L. Zeimet: Sie haben eine scharfe Beobachtungsgabe.

“Jugend an den Rententisch”

LW: Apropos Generationengerechtigkeit. Wird Ihnen nicht mulmig, wenn Sie an den Rententisch denken?

L. Zeimet: Die Rentenpolitik darf die Jugend nicht kalt lassen. Hier geht es um unsere Zukunft, um die Finanzierungsfähigkeit eines Sozialsystems, das wir prinzipiell bejahen. Wenn die Beschlüsse des Rententischs 2006 überprüft werden, sollte die Jugend mit von der Partie sein. Eine Aufgabe für den nationalen Jugendrat, dessen Schaffung wir fordern.

“Das 21. Jahrhundert ist unser Jahrhundert”

LW: Zu Ihren Vorbildern gehört der CDU-Politiker Heiner Geißler, der nach eigenem Bekunden, wäre er heute ein junger Mann, bei den Globalisierungskritikern mitmachen würde.

L. Zeimet: Heiner Geißler ist ein ewig Junggebliebener. Seine Thesen auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes inspirieren uns. So wie er denken wir über eine globale Ordnungspolitik nach. Wenn die Politik das nicht tut, werden die Terroristen ihr immer eine Nasenlänge voraus sein. Das 21. Jahrhundert ist unser Jahrhundert, nicht das der Fanatiker.

Die “global governance” steht erst am Anfang. Auf lange Sicht ist ein vollkommen neues System internationaler Organisationen nach dem Vorbild der Europäischen Union notwendig. Die planetarische ökosoziale Marktwirtschaft ist ein Gebot von Idealen und Vernunft. Wenn wir den vielen Armen nicht helfen, können wir auch nicht erwarten, dass es uns gelingen wird, die wenigen Reichen zu retten.

(Photo: Marc Wilwert)