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Lex Greenpeace

Muss in einer Demokratie nicht auch der spontane Protest möglich bleiben ? Wollen wir Schüler, die ihre Schule besetzen oder Umweltschützer, die in einem Kaufhaus auf genmanipulierte Waren aufmerksam machen, allen Ernstes strafrechtlich verfolgen ?Über das Ziel hinaus

Im Rahmen eines internationalen Protesttages besetzten Greenpeace-Aktivisten Ende 2002 auch in Luxemburg 28 Tiger-Tankstellen. Die Regierung fühlte sich ohnmächtig und bestellte flugs bei Justizminister Frieden eine gesetzliche Handhabe.

Der Gesetzentwurf 5076 -die sogenannte Lex Greenpeace- soll einen neuen Paragraphen 442-1 in unser Strafgesetzbuch einführen. Der vorgesehene Tatbestand stellt das unerlaubte Betreten und die Besetzung von privaten und öffentlichen Räumen unter Strafe.

Für die Regierung ein nötiger Schritt, um den bereits bestehenden Tatbestand des Hausfriedensbruchs zu erweitern. Im Augenblick werde nach Gesetz und Rechtssprechung nur die Privatwohnung angemessen geschützt. Betriebe, Geschäfte und öffentliche Gebäude seien dagegen der Willkür von Aktivisten ausgeliefert. Erklärte Absicht der Koalition ist es, das Privateigentum und die Bewegungsfreiheit besser zu schützen.

Gegen diese Initiative erhob sich gleich Protest aus mehreren Reihen. Gewerkschaften, Umweltschutzorganisationen und Akteure der Zivilgesellschaft meldeten starke Bedenken an. Unverhältnissmässig und unnötig, lautet ihr Urteil. Bestehende gesetzliche Bestimmungen reichten völlig aus, um gegen Protestaktionen vorzugehen. Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft unterschrieben einen Aufruf, der die Regierung auffordert, den Entwurf zurückzuziehen.

Doch bis jetzt gibt es keine Anzeichen, dass das Juncker-Kabinett einlenken wird, ausser dass man den Gewerkschaften eine Sonderregelung zugesichert hat.

Absolut notwendig?

Brauchen wir die neue Regelung ? Nicht unbedingt. Namhafte Expertensind der Ansicht, dass die existierende Gesetzgebung ausreichende Bestimmungen vorsieht, um gegen Besetzungen vorzugehen. Nicht zuletzt kann man vor dem Eilgericht eine Räumungsverfügung beantragen und vor den Zivilgerichten auf Schadenersatz klagen.

Doch bei diesem Gesetzentwurf geht es um grundsätzliche Fragen.

Wollen wir den friedlichen Protest unter Strafe stellen ? Um es klar zu machen : Hier geht es nicht um gewalttätige Aktionen, die selbstverständlich längst unter Strafe stehen.

Muss in einer Demokratie nicht auch der spontane Protest möglich bleiben ? Wollen wir Schüler, die ihre Schule besetzen oder Umweltschützer, die in einem Kaufhaus auf genmanipulierte Waren aufmerksam machen, allen Ernstes strafrechtlich verfolgen ?

Verhältnismässig ?

Grundrechte müssen immer abgewogen werden. In wieweit kann und darf zum Schutz eines Rechtes, ein anderes Recht beschnitten werden? Beispiel Tankstelle : Die Freiheit des einen, seinen Protest kundzutun, muss mit der Freiheit des Betreibers und des Kunden in Einklang gebracht werden. Die Lösung kann aber nicht darin bestehen, den friedlichen Protest faktisch zu verbieten. Das Recht auf Eigentum kann nicht unverhältbissmässig auf Kosten der freien Meinungsäusserung und der Versammlungsfreiheit geschützt werden.

Eigentum ist kein absolutes Recht. Nicht umsonst steht im CSV-Grundsatzprogramm, dass Eigentum verpflichtet und ?aus der Würde des Menschen ergibt sich auch das Recht auf persönliches Eigentum, nicht als unbeschränktes Recht, sondern als ein mit den Erfordernissen der Gesellschaft abgestimmtes Recht im Sinne der Sozialfunktion des Eigentums.?

Wenn also der Eigentümer nicht im Sinne des Gemeinwohls handelt, muss man dagegegen friedlich protestieren können. Auch auf seinem Grundstück, gegen seine Erlaubnis. Da aber gerade dies durch die neue Regelung unmöglich gemacht wird, bin ich der Auffassung, dass die Lex Greenpeace weit über das visierte Ziel hinausschiesst.

Laurent Zeimet

CSJ-Nationalpräsident